2.0 out of 5 stars
Die einzig interessante Figur ist George. Der Wasserspeier
Reviewed in Germany đ©đȘ on 24 August 2019
Jedenfalls bis zur HĂ€lfte. Dann haben dieses Buch und ich uns getrennt. Denn Lesezeit ist Lebenszeit.
Diese Rezension enthĂ€lt Spoiler fĂŒr die erste HĂ€fte des Buches.
Meine EnttĂ€uschung ĂŒber diesen Thriller vollzog sich in Etappen, wobei die erste gleich einsetzte, nachdem ich die erste Seite aufgeschlagen hatte. Ich bin kein Fan von ganzen, in kursiv gesetzten Textabschnitten, die mir signalisieren sollen, was man mir als Leser zu erkennen offenbar sonst nicht zutraut: dass es sich um einen anderen Zeitabschnitt oder eine andere ErzĂ€hlperspektive handelt als der ĂŒbrige Text. Das ist vor allem dann ĂŒberflĂŒssig, wenn dann das nĂ€chste Kaptitel eine Ăberschrift trĂ€gt wie âSix Days Earlierâ. Und was erfĂ€hrt der Leser nun in diesem didaktisch in Kursiva gesetzen ersten Kapitel? Eine Person, die Protagonistin, vermutlich, erwacht in einem Krankenhaus. Wie originell ist das denn? Zum GlĂŒck erspart sie sich die Worte âWo bin ich?â Stattdessen klĂ€rt sie ein freundlicher Arzt oder SanitĂ€ter darĂŒber auf, dass sie einen Unfall hatte. Sehr schnell erinnert sich die Protagonistin daran, dass sie aus dem Haus, in dem sie sich in den letzten Tagen aufgehalten ist, geflohen ist. Das soll wahrscheinlich die Spannung auf das, was sich in diesen letzten Tagen ereignet hat, erhöhen. Stattdessen tut es das Gegenteil. Wenn ich mir einen Thriller kaufe, dann gehe ich davon aus, dass der Protgonistin irgendetwas zustösst, sonst wĂ€re es keiner, ich brauche nicht im Voraus zu erfahren, dass dies tatsĂ€chlich der Fall ist. Immerhin ist sie in der Lage zu fliehen, und zwar auf eine StraĂe, sonst wĂ€re sie nicht mit einem Wagen kollidiert. Soviel möchte ich auf den ersten zwei Seiten des Thrillers aber gar nicht wissen.
Die zweite EnttĂ€uschung lieĂ nicht lange auf sich warten. Gleich im ersten Kapitel , also âSix Days Earlierâ, erfahre ich, um was fĂŒr ein GebĂ€ude es sich handelt, aus dem die Protagonistin also geflohen ist. Oder, anders gesagt, ich erfahre, dass es sich um ein ganz anderes GebĂ€ude, und um ganz andere UmstĂ€nde, handelt, als ich dachte, als ich mir das Buch zum vollen Preis angeschafft habe.
Wenn ich ein Buch mit dem Titel âLock Every Doorâ kaufe, dann erwarte ich so etwas wie dieses absolut beklemmende GefĂŒhl, das sich einstelllt, wenn man in einem groĂen, unĂŒbersichtlichen GebĂ€ude ziemlich alleine ist und einem plötzlich mitten in der Nacht einfĂ€llt, dass man nicht weiĂ, ob man alle HinterausgĂ€nge abgeschlossen hat. Wer sowas mal in echt erlebt hat, kennt den âThrillâ. Ich war der irrigen Meinung, dass die Protagonistin, Jules heiĂt sie, und ein paar andere, die sich als âApartement Sittersâ in einem Hochhaus in Manhattan verdingen, dies in einem leerstehenden GebĂ€ude tun, mit dem Zweck, unliebsame Eindringlinge abzuwehren. Ich weiĂ nicht, wie ich auf die Idee gekommen bin, wahrscheinlich habe ich die Inhaltsangabe nicht richtig gelesen.
TatsĂ€chlich handelt es sich um eines der Ă€ltesten âHochhĂ€userâ in New York City, das (fiktive, aber wahrscheinlich einem realen GebĂ€ude nachempfundene) âBartholomewâ unweit des Central Parks, einem Haus mit Wasserspeiern an der Fassade und mit einer ĂŒblen Geschichte. Und das ist bewohnt bis unters Dach, und zwar, abgesehen von drei Apartement-Sittern, von schwerreichen, halb berĂŒhmten alten Leuten.
Die nĂ€chste EnttĂ€uschung: Protagonistin Jules ist eine nicht besonders schlaue, dafĂŒr aber hochromantische Langweilerin, gerade frisch von ihrem untreuen Freund Andrew getrennt, dadurch ihrer Wohnung beraubt, und ihren Job hat sie auch verloren, am gleichen Tag. Shit happens. Sie ist auĂerdem eine Waise, und ihre groĂe Schwester ist seit einigen Jahren spurlos verschwunden. Beladen mit diesem General-Paket an Drama, ist Jules natĂŒrlich hoch erfreut, dass sie ohne jede Anstrengung diesen Apartement-Sitter Job in diesem tollen Haus bekommt. Ein Haus, das ihr so vertraut ist wie kein anderes, denn es ist der Mittelpunkt eines Romans, den sie und ihre Schwester als junge MĂ€dchen immer und immer und immer und... wieder gelesen haben. Immerhin, als Jules der Autorin des Romans dann leibhaftig begegnet (denn die wohnt natĂŒrlich auch in diesem Haus) und ihr offenbart, dieses Buch, âHeart of a Dreamerâ wĂ€re ihr absolutes Lieblingsbuch, sagt diese Autorin einen sehr wahren Satz: âYou should read more books".
Leider möchte âLock Every Doorâ dann gerne genauso trivial werden wie das Buch, auf das sich dauernd bezogen wird. Ein Love Interest muss her, und er erscheint innerhalb kĂŒrzester Zeit durch einen völlig konstruierten Zwischenfall mit einem zerbrochenen Glas Spaghettisauce in Form von âDr. Nickâ, dem einzigen jĂŒngeren Bewohner dieses Bartholomew-GebĂ€udes. Und Dr. Nick ist nicht nur Arzt und reich und jung, nein, er sieht auch noch aus wie ein Filmstar, wie das so ist im richtigen Leben. Jules ist hin und weg, und es entspinnt sich eine Geschichte zwischen ihnen mit jeder Menge banalen Dialogen (nein, nein, den innovativen Satz âI always thougt you were much prettier in real life than in photosâ sagt nicht Dr. Nick, sondern Andrew, der Ex).
Inzwischen hatte ich die BuchhĂ€lfte erreicht. Und meine Schmerzgrenze auch. Nicht einmal der Preis, den ich fĂŒr das Buch bezahlt hatte, konnte fĂŒr mich ein Weiterlesen rechtfertigen. ĂberflĂŒssig zu sagen, dass auch noch nichts in Richtung âThrillâ gegangen war, wenn man davon absieht, dass eine der Apartement-Sitters verschwunden ist, Jules eine Message mit den Worten âBe Carefulâ hinterlassen hat und eine Waffe, also genau das, was man tut, wenn man jemanden eigentlich dringend dazu auffordern sollte, so schnell wie möglich die Sachen zu packen und zu gehen, aber gut, klar, dann wĂ€r's ja wirklich kein Thriller.
Mag sein, dass Dr.Nick mit den Strahle-ZÀhnen und dem Hollywood-Flair noch zum demonischen Antagonisten mutiert. Und sich die ganze Hausgemeinschaft gegen die naiv-blöde Jules verschwört, um sie dem bösen Kult zu opfern, auf den stÀndig in unheilvollen Sequenzen hingewiesen wird.
Mag sogar sein, dass zum Ende hin sogar noch eine beklemmende AtmosphĂ€re aufkommt. Aber um das herauszufinden, hĂ€tte ich Jules Geturtel mit Dr. Nick aushalten mĂŒssen, womöglich auch noch mit dem Ex, und schlieĂlich vor allem Jules selbst, und wer weiĂ, wie oft die noch von "Heart of a Dreamer" geschwĂ€rmt hĂ€tte.
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